Im Land von Beef und Guinness
Das milde Klima, viel Weidefläche und hohe Nachhaltigkeitsstandards machen Irland zu einem idealen Land für die Rinderzucht. Wir waren mit den Schweizer Mitgliedern des Chefs’ Irish Beef Club auf Produzentenbesuch.
Wenn Sie an Irland denken, welche Farbe kommt Ihnen dann zuerst in den Sinn? – Richtig! Die Insel im Nordatlantik ist geprägt von sattgrünen Landschaften. Der Golfstrom führt dazu, dass das ganze Jahr über ein relativ mildes Klima mit regelmässigem Niederschlag herrscht. Die üppigen, saftigen Flächen wiederum bieten perfekte Bedingungen für die Aufzucht von Rindern und Schafen.
Und genau das ist es, was unsere kleine Reisegruppe in den Nordosten von Irland geführt hat. Wir sind unterwegs mit elf Mitgliedern des Chefs’ Irish Beef Club. Die Spitzenköche wollen sich vor Ort ein Bild davon machen, woher das berühmte irische Rindfleisch stammt. Eine der Stationen ist die Lakeview Organic Farm in Mullagh, die von der jungen Landwirtin Jane Shackleton in dritter Generation geführt wird. Die Farm mit ihren aufgeschichteten Steinmauern entlang der Weiden ist schon über 400 Jahre alt. Auf 120 Hektar Land leben hier rund 80 Rinder.
Jane zeigt den Schweizer Köchen das Farmland. Zwischen den Grünflächen wachsen Bäume und Sträucher. Dies sei eine entscheidende Komponente für die Gesundheit der Farm, erklärt sie, während die Gruppe über die Wiese stapft. «Für uns ist es wichtig, eine Balance zu haben. Dazu gehören nicht nur ein gesunder Boden und gesunde Tiere, wir wollen auch die Biodiversität fördern und Lebensraum für weitere Lebewesen bieten.» Sie weist auf ein Büschel Klee. «Wir haben hier extrem nährstoffreiches Gras. Und die unterschiedlichen Grassorten bieten eine vielseitige Ernährung für die Tiere.» Dies sei umso wichtiger, da ihre Rinder ausschliesslich Gras und Heu zu fressen bekämen. «Wir füttern kein Getreide zu.» Deshalb haben die Shackletons auf Angus-Rinder gesetzt; diese kommen mit reiner Grasfütterung wunderbar zurecht. Wie gross der Zuschlag für Bio-Fleisch in Irland sei, möchte einer der Köche wissen. «Es gibt etwa 15 Prozent extra», sagt Jane. «But it’s not enough.»
80 Prozent sind Weideland
Dass die Preise in der EU Potenzial nach oben haben, bestätigt auch der irische Foodjournalist John McDonnell, der die Gruppe begleitet. Er beobachtet den irischen Fleischmarkt schon seit über zwanzig Jahren. Aktuell liege der Marktpreis für ein ganzes Rind bei 3.50 Euro pro Kilo. «Bei diesem Preis verlieren die Farmer Geld», sagt er. Dies sei umso bedauerlicher, als dass irisches Fleisch von hoher Qualität sei. Dank des milden Klimas besitze das Land die längste «grazing season» in Europa. In Irland, wo 80 Prozent des Farmlandes Weideland sind, könnten die Tiere bis zu 280 Tage im Jahr auf die Wiese gelassen werden. Und diese naturnahe Ernährung habe direkten Einfluss auf die Qualität des Fleisches. «Es besitzt eine sattere Farbe, und das Fett ist cremiger als beim Fleisch von Tieren, die mit Kraftfutter gefüttert werden», so John McDonnell. «Diese Art der Fleischproduktion ist extrem nachhaltig», fügt er hinzu.
Um die hohe Qualität des Fleisches wissen auch die Schweizer Köche, die in ihren Restaurants irisches Rind auftischen. Auf ihren wiederkehrenden Reisen haben sie schon viele Produzenten und Fleischverarbeitungsbetriebe besucht und kennengelernt. Da hierzulande die Verfügbarkeit von Rindfleisch beschränkt sei, müsse man notgedrungen auf Importfleisch setzen.
Doch wie oft kommt es tatsächlich vor, dass Gäste nach der Herkunft des Fleisches fragen? «Die Leute erkundigen sich relativ selten», sagt Arno Sgier, der seit über 25 Jahre die Traube Trimbach (17 Gault-Millau-Punkte, 1 Michelin-Stern) führt. «Ich erzähle es ihnen aber meist von mir aus.» Denn den meisten sei nicht bewusst, dass die Fleischproduktion in Irland extrem nachhaltig sei und zu grossen Teilen auf Weidehaltung basiere.
Enten, Austern und Guinness
Dass dies so bleibt und noch weiter verstärkt wird, dafür setzt sich das nationale Nachhaltigkeitsprogramm Origin Green ein. Es verlangt von seinen Mitgliedern die Erfüllung von Nachhaltigkeitsstandards. Dazu gehört unter anderem, dass weniger Energie und Wasser verbraucht und weniger Abfall produziert werden soll. Auch Tierwohlstandards und faire Arbeitsbedingungen sind Teil des Programms. Dass Irland das Thema Nachhaltigkeit so stark fördert, hat einen guten Grund. Das Land mit seinen 5 Millionen Einwohnern produziert genug Lebensmittel für 25 Millionen Menschen. Der Export von Lebensmitteln ist also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Insel im Atlantik.
Wie wichtig der Export für die Branche ist, zeigt auch der Besuch der Silver Hill Duck Farm. Die Firma züchtet und verarbeitet eine eigene Entenrasse, die sich dank ihres hohen Fettgehalts perfekt für die Zubereitung von Peking Ente eignet. Sie ist auch unter dem Namen «London Fat Duck» bekannt. Naheliegend daher, dass das Vereinigte Königreich zu den grössten Abnehmern des Entenfleischs gehört. So sieht man in der Firma einem harten Brexit mit äusserst gemischten Gefühlen entgegen.
Genauso klingt es bei der Carlingford Oyster Company, welche die Schweizer Chefs am Tag zuvor besucht haben. Die Austernzucht liegt gleich an der Grenze zu Nordirland und liefert einen Grossteil ihrer Rock Oysters ebenfalls nach Grossbritannien. Rund fünf Millionen Austern liegen im seichten Wasser der Bucht. Was kaum jemand weiss: Auch viele französische Austern haben den Grossteil ihres Lebens in Irland verbracht. Das saubere Wasser ist ideal für die Aufzucht der edlen Muscheln. Die Schweizer Spitzenköche haben natürlich die Probe aufs Exempel gemacht und waren ziemlich beeindruckt von der Qualität. Nur in puncto Schaumwein zu den Austern haben sie einen kleinen Fauxpas begangen: Austern werden in Irland nämlich meist in Kombination mit Guinness genossen.
Chefs’ Irish Beef Club
Der Chefs’ Irish Beef Club wurde 2004 ins Leben gerufen und vereint über 80 internationale Gourmet- und Sterneköche als Botschafter für irisches Rindfleisch. Zum 2012 gegründeten Schweizer Club gehören aktuell 14 Spitzenköche. Im Schnitt reisen die Mitglieder alle zwei Jahre nach Irland, um Produzenten und Verarbeitungsbetriebe zu besuchen. Zudem treffen sie sich regelmässig zum Austausch in der Schweiz.
Text: Nicole Hättenschwiler
Bilder: Claudio Del Principe; Bord Bia
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