Insekten-Food boomt (noch) nicht

27. November 2018

Seit anderthalb Jahren ist der Verkauf von Grillen, Mehlwürmern und europäischen Wanderheuschrecken für den menschlichen Verzehr in der Schweiz erlaubt. Bisher setzen erst einzelne Gastronomen auf den Food-Trend mit Ekelfaktor.

Im August 2017 begann Coop mit dem Verkauf von Insektenbällchen und Insektenburgern, die vom Start-up-Unternehmen Essento hergestellt werden. Später wurde das Sortiment um die Insekten-Power-Riegel erweitert. Seit einigen Monaten verkauft der Detailhändler auch Apéro-Snacks, gewürzt mit Salz, Curry oder Paprika, in denen ganze Insekten mit Nüssen vermischt sind. Zahlen über den aktuellen Absatz dieser Produkte möchte Coop allerdings nicht verraten.

Ökologisch und nährstoffreich

Insekten sind ernährungstechnisch spannend. Sie liefern den Menschen hochwertige Nährstoffe: Proteine, ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Ballaststoffe, Mineralstoffe wie Zink und Eisen. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass die Zucht von Insekten um einiges ökologischer und nachhaltiger ist als die Fleischproduktion. Der Wasser- und Futterverbrauch sowie der Ausstoss von Treibhausgasen sind weitaus geringer. Gemäss FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations; dt. Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) braucht es für ein Kilo essbare Heuschrecken 1,7 Kilogramm Futter. Für dieselbe Menge essbares Rindfleisch werden zehn Kilogramm Futter benötigt. Ausserdem entstünden laut FAO bei der Produktion von Insekten rund 100 Mal weniger Treibhausgase als bei der gewöhnlichen Viehzucht.

Zusätzlich könnten durch die teilweise Umstellung von der Fleischproduktion auf die Insektenzucht wertvolle Landwirtschaftsflächen frei werden. Aus diesem Grund besitzt die Insektenzucht auch ein grosses Potenzial, dem Welthunger zu begegnen.

Frittierte Heuschrecken

Bereits gibt es etliche Gastronomen, die Insekten-Food auf dem Menüplan haben. Als Trendsetter bietet Roger Greiners Asien-Imbiss Bug a Thai in Kleinbasel bereits seit Mitte 2017 exotische Heuschreckengerichte an. Gemäss Greiner entscheidet sich jeder fünfte Gast für ein Gericht mit Mehlwürmern, Grillen oder Heuschrecken. Das können bis zu 35 Bestellungen an einem Tag sein.Die Restaurantkette Nooch bietet in Zürich und Basel ebenfalls Insektenmenüs an. Frittierte Heuschrecken werden dort als nachhaltige Proteinquelle angepriesen.

Noch überwiegt der Ekelfaktor

Auch das Gastronomieunternehmen Hitzberger, das seit Mai 2017 zur Genossenschaft Migros Zürich gehört, befasste sich schon früh mit diesem neuen Food-Trend. Eduard Hitzberger verkauft einen Insektenburger, der nun auch in den ehemaligen Bio-Take-aways der Migros erhältlich ist. Durch die Zusammenarbeit mit Migros konnte Hitzberger expandieren. Aktuell werden an zehn Standorten – darunter drei im Hauptbahnhof Zürich – Insektenburger verkauft. Doch wie experimentierfreudig sind die Schweizer? «Mittlerweile verkaufen wir rund 200 Insektenburger und -sandwiches pro Woche in unseren Restaurant & Take-aways in Zürich, Bern und Basel», sagt Andreas Schwarzenbach, Mitgründer und Leiter von Hitzberger. Dies sei im Vergleich zu anderen Produkten eher wenig. Angesprochen auf die Zukunft von Insekten-Food, antwortet Schwarzenbach, dass es noch sehr viel Zeit brauche, bis sich die Esskultur in der Schweiz, beziehungsweise in Westeuropa, ändere. «Noch überwiegt der Ekelfaktor, obwohl bei uns die Insekten zerkleinert und als solche nicht erkennbar sind. In Asien zum Beispiel ist der Verzehr von Insekten absolute Normalität.»

Geringe Nachfrage

Die SV-Group, die in der Schweiz über 300 Personalrestaurants und Mensen führt, hat ebenfalls erste Versuche mit Insekten-Food durchgeführt und antwortete auf unsere Anfrage: «Unsere Restaurants haben heute die Möglichkeit, ausgewählte Produkte anzubieten, z.B. Insektenburger oder Insekten-Falafel. Davon machen jedoch nur wenige Betriebe Gebrauch und die Nachfrage ist gering.» Fazit: Von einem Boom kann im Moment keine Rede sein.

Text: Alfred Kuhn

 

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