Vegan, süss?

Vegane Desserts wurden zu einem der ganz grossen kulinarischen Trends ausgerufen. Doch was bieten Industrie und Gastrozulieferer in diesem Bereich? Laut Sarah Altin, Betriebsleiterin der auf die Bedürfnisse von Veganern zugeschnittenen und von der Gastronomiegruppe ZFV-Unternehmungen geführten Mensa Rämi 59 der Universität Zürich, lässt das Angebot noch zu wünschen übrig.

«Im Detailhandel hat sich in den vergangenen drei Jahren eine Menge bewegt. Uns als Gastronomiebetrieb fällt es jedoch weiterhin schwer, vegane Desserts und Süssigkeiten zu finden, die unseren hohen Ansprüchen genügen», sagt Sarah Altin, Betriebsleiterin der veganen Mensa Rämi 59. «Erst recht in den grossen Mengen, die wir benötigen.» Der Grund liegt auf der Hand: Auch die Zulieferer müssen rechnen und nehmen mithin nur ins Angebot, wofür es genügend Interessenten gibt.

Die einzigen veganen Desserts eines externen Betriebs, die Altin in ihrem der Universität Zürich angegliederten Betrieb derzeit im Angebot hat, sind Cakes (2 Sorten) und Gugelhöpfli (3 Sorten) vom Biobeck Lehmann im thurgauischen Lanterswil, der unter anderem auch die Alnatura-Shops der Migros beliefert. «Davon verkaufen wir pro Woche in der Regel 50 bis 100 Stück, am beliebtesten sind der Mangocake und alles, was Schokolade drin hat», erklärt sie. Da sich Veganerinnen und Veganer naturgemäss intensiv mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen, ist das Biosiegel ein wichtiges Verkaufsargument. Von den über die Gastronomiezulieferer erhältlichen Convenience-
Produkten greift Sarah Altin gerne auf Blätter- und Kuchenteig zurück. «Da industriell produzierte Teige ohnehin Margarine anstelle von Butter enthalten, benötigen wir hier keine anderen Produkte als herkömmliche Kunden.»

Sarah Altin
Betriebsleiterin Mensa Rämi 59

Gibt es im Rämi 59 zum Dessert eine Schokoladen- oder Vanillecrème, bereitet sie das Küchenteam vor Ort selber zu. «Es wäre für uns eine Entlastung, wenn wir diese Crèmes als Convenience-Food über einen Gastrozulieferer beziehen könnten. Das Problem ist, dass die Industrie Crèmes noch immer fast ausschliesslich auf Basis von Soja herstellt, wir dagegen verwenden lieber Kokos-, Mandel- oder Hafermilch. Ersatzprodukte für Ei, welche sehr zum Gelingen der Crème beitragen, gibt es zwar, die Industrie scheint sich jedoch noch nicht für sie zu interessieren.» Braucht Altin ein solches Erzeugnis, kann sie es auch nicht in grossen Mengen bestellen, sondern muss es in einem kleinen veganen Geschäft kaufen. Auch im Jahr 2019 ist noch eine gehörige Portion Improvisationstalent gefragt, wenn man bei Veganerinnen und Veganern punkten will.

Qualität und Kreativität sind gefragt

Aus der Zentrale der ZFV-Unternehmungen, zu denen auch das Rämi 59 gehört, heisst es: «Grundsätzlich sind wir mit dem Angebot der Industrie zufrieden, Schweizer Firmen haben im veganen Sektor gegenüber der Konkurrenz aber noch grossen Nachholbedarf.» Und: «Wir würden uns wünschen, dass vegane Gerichte nicht mit dem Wort ‹vegan› überzeugen, sondern mit Qualität, Kreativität und Ausgewogenheit.» Für den ZFV sei vegane Ernährung längst kein Trend mehr, sondern ein fester Bestandteil des Angebots. In der gesamten Gruppe würden vegane Süssspeisen wie im Rämi 59 mehrheitlich selber hergestellt, dazu beziehe man über die Partner Gmür und Eggenschwiler fertige Minidesserts.

Dass sich beim allseits beliebten Gastrozulieferer Bio Partner auf der umfangreichen Liste der veganen Produkte nur gerade fünf Desserts finden, zeigt, dass es der Industrie tatsächlich noch an überzeugenden Produkten fehlt. Bei den gelisteten Desserts handelt es sich um eine Schokoladenmousse der in Schlieren ZH ansässigen Firma Soyana auf Basis von fermentiertem Soja und Schokolade mit nativem Kokosöl sowie um je zwei Soja- und Hanfprodukte der deutschen Marke Sojade.

Vegane Glace auf dem Vormarsch

Am weitesten ist die Industrie im Glacebereich. Dort bieten grosse Hersteller wie Ben & Jerry’s oder Häagen-Dazs eine breite Palette an veganen Optionen an. Und auch kleinere Unternehmen ziehen mit, so zum Beispiel die Zürcher Firma The Green Fairy. Deren Produkten attestiert Sarah Altin hervorragende Qualität. Derzeit bietet The Green Fairy vegane Glacen in sieben verschiedenen Geschmacksrichtungen an: Maple Walnut, Vanilla, Strawberry, Pistachio, Coffee Crunch, Chocolate Chip und Salted Caramel. Die Geschmacksrichtungen Vanilla und Salted Caramel basieren auf einem Sojadrink aus Wasser und Sojabohnen, die übrigen auf einem Reisdrink aus Reis, Wasser, Sonnenblumenöl und Meersalz. Als Stabilisatoren setzt The Green Fairy bei allen Sorten Johannisbrot- und Guarkernmehl ein. Für die gewünschte Cremigkeit sorgt jeweils Kokosfett. Sämtliche Zutaten stammen aus biologischer Landwirtschaft, überdies sind die Produkte allesamt cholesterinfrei und können auch von Menschen mit Laktose- oder Glutenunverträglichkeit problemlos konsumiert werden. Bei den Grossverteilern hat die vegane Zukunft bereits begonnen. «Die Nachfrage nach veganen Produkten nimmt laufend zu. Daher bauen wir das Sortiment kontinuierlich aus, gerade auch im Bereich der Süsswaren. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise eine steigende Nachfrage nach unseren Karma-Glaces auf Basis der Milchersatzprodukte Kokosnuss, Mandel, Soja oder Haselnuss bemerkt», schreibt die Medienstelle von Coop auf Anfrage. Das Unternehmen ist in diesem Bereich Marktführer in der Schweiz. Von den 580 Swissveg-zertifizierten veganen Artikeln, die bei Coop erhältlich sind, ist rund ein Fünftel süss. Der Löwenanteil entfällt auf süsse vegane Snacks. Sehr beliebt seien beispielsweise Coop-Prussiens, Bio-Max-Havelaar-Doppelkekse mit Kakaocreme, Cranberry Coconut Cookies und Cashew-
Chia-Riegel der Karma-Linie. Dazu kommen gekühlte Desserts, Sojasun-Crèmes (mit Soja, Maisstärke, Pektin, Carrageen und Guarkernmehl), Karma-Kokoscrèmes (mit Kokosnussextrakt und Maniokstärke) in verschiedenen Geschmacksrichtungen oder Karma-Fairtrade-Kokos-Milchreis mit Kokosnussextrakt.

Text: Alexander Kühn
Bilder: Shutterstock, zVg

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