Dem weltbesten Kaffee auf der Spur

27. November 2018

Wenn einer weiss, wie man perfekte Espressi hinbekommt, dann André Eiermann. Zu Besuch in der Coffee Academy von UCC, wo der Barista-Schweizermeister 2017 aus dem Nähkästchen plaudert. 

Stille herrscht in der Coffee Academy in Zollikofen bei Bern an diesem Tag im August. Der grosse Raum ist menschenleer. Links den Fenstern entlang und blitzblank poliert der Maschinenpark: Vollautomaten, Espressomaschinen, Waagen, Kaffeemühlen. Nicht nur, aber vor allem Baristaherzen schlagen beim Anblick der Maschinen von Nuova Simonelli und Victoria Arduino höher. Das elegante italienische Design ist das eine, das andere ist das Innenleben, und von diesem ist André Eiermann, der mit elastischem Schritt den Raum durchquert, sehr überzeugt. Schliesslich hat der Marketingdirektor der UCC Coffee Switzerland AG auf einer Victoria Arduino Black Eagle mehrere Tausend Espressi zubereitet – trainingshalber. Als Barista-Schweizermeister 2017 durfte er im vergangenen November an den Weltmeisterschaften in Südkorea antreten. Dort errang er Platz 10 und «seither läuft es rund», wie Eiermann es lakonisch nennt.

Konkret heisst das, dass er jede Menge Anfragen bekommt: hier ein Vortrag, da ein Workshop, dazu die Mitarbeit an einer Studie und dazwischen kurz eine Reise nach Ruanda. Aus dem ostafrikanischen Land ist er soeben zurückgekehrt. Er war eines von 20 Jurymitgliedern aus aller Welt, welche die besten 40 Kaffees des Landes bewerteten – sehr aufwendig bewerteten, muss man erkennen, wenn man die umfangreichen Formulare und das strenge Setting betrachtet. Allerdings wird Ruanda kaum jemand auf Anhieb mit Kaffee in Verbindung bringen, wohl eher mit dem Völkermord von 1994. «Das ist so. Eine von vielen Folgen davon ist, dass die Kaffeeproduktion heute hauptsächlich in Frauenhänden liegt, weil dem Krieg damals so viele Männer zum Opfer fielen», erklärt André Eiermann. Tatsache sei auch, dass die Regierung grosse Anstrengungen unternehme, diesen Wirtschaftszweig zu fördern, indem sie beispielsweise den Anbau und die Verarbeitung von hochwertigen Kaffees unterstütze. Ein sehr wichtiger Zweig: Heute erzielt Ruanda etwa die Hälfte seiner Exporterlöse durch Agrarprodukte wie Kaffee und Tee. Eiermann hat nicht nur viele Fotos, sondern auch einiges Zahlenmaterial von der fünftägigen Reise mitgebracht: Rund 355 000 Kaffeebauern bewirtschaften eine Anbaufläche von knapp 36 000 Hektaren mit 90 Millionen Kaffeebäumen. «Früher haben die Kaffeeproduzenten ihre Kaffeekirschen selber gewaschen, heute gibt es etwa 300 professionelle Waschstationen, die bereits 58 Prozent der Produktion verarbeiten können», erzählt Eiermann. Auch der Cup-of-Excellence-Wettbewerb, an welchem die besten Kaffees mit Zertifikaten ausgezeichnet werden, helfe den Kaffeebauern enorm. «Das sieht man schon daran, wie stolz sie ihre Auszeichnungen in Empfang nahmen. Der Hintergrund dazu ist logisch: Bessere Qualität lässt sich besser vermarkten, dadurch verdienen die Produzenten mehr und strengen sich noch mehr an.» Ganz nebenbei erwähnt Eiermann, dass die Schweiz der grösste Abnehmer von ruandischem Kaffee sei. 

Wer einmal die besten Espressi eines Landes in die Tassen gebracht hat, den hat das Thema Kaffee gepackt, der interessiert sich natürlich auch für die komplexeren Fragen dazu. Für den letztjährigen Barista-Schweizermeister bedeutet dies, die Kaffeezubereitung auch mit einem wissenschaftlichen Ansatz zu betrachten. Zusammen mit Chahan Yeretzian, Professor für Analytische Chemie, Bioanalytische Chemie und Diagnostik und Leiter des Coffee Excellence Center an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, arbeitet André Eiermann an einer breit angelegten Studie, in der es um Kaffeekapseln geht. Da spielen Stickstoff- und Sauerstoffgehalt, Röstgrad, Mahlgrad, Extraktionsausbeute, Verpackungsmaterial und Sensorik eine Rolle: «Es ist nun mal so, dass in der Schweiz in jedem zweiten Haushalt eine Kapselmaschine steht», sagt Eiermann, der offensichtlich keine Berührungsängste auf diesem Gebiet kennt. Man sei noch in der Auswertungsphase, sagt er, aber man könne jetzt schon sagen, dass grosse Unterschiede zwischen den untersuchten Kaffeekapseln vorliegen, unterschiedliche Mahlgrade, Extraktionszeit, Röstung und geschmackliche Profile: «Klar ist bis jetzt nur, dass ‹one size fits all› hier nicht gilt, jede Kapsel ist anders aufgebaut und zusammengesetzt – und die meisten Kaffees lassen sich ganz gut trinken.» Die Ergebnisse der Studie werden im September in den USA vorgestellt, genauer in Portland, Oregon, an der Tagung der Association for Science and Information on Coffee ASIC – einer Vereinigung, die sich mit den wissenschaftlichen und technologischen Seiten von Kaffee beschäftigt.

 Und schliesslich steht im November eine Reise nach Brasilien im Terminkalender. Dort findet die Cup-Tasters-Weltmeisterschaft statt, und dorthin begleitet er die aktuelle Schweizermeisterin, Evelyn Rosa, die wohl nicht ganz zufällig ebenfalls bei UCC in Zollikofen arbeitet. «Sie ist erst 24-jährig, aber sie ist ein Naturtalent», sagt der Marketingdirektor über seine junge Kollegin. Auch sie hat die schwierigen Prüfungen geschafft und ist Q-Grader, gehört also zur Kaffeesensorik-Elite im Land – wie übrigens Loïc Guélat, der dritte Q-Grader bei UCC Coffee in Zollikofen, «der ruhige Pol im Haus, der uns sehr unterstützt», so Eiermann.

Zurück zu der Kulisse mit den vielen hervorragenden Maschinen in der Academy: Sie werden in den folgenden Tagen zum Einsatz kommen, während der verschiedenen Kurse, die hier angeboten werden. André Eiermann leitet sie mit Unterstützung der jungen Sensorikerin Evelyn Rosa. Er selber hat zum Einstieg in das Kaffeegeschäft zwei Jahre in Kenia und in Tansania als Kaffeehändler gearbeitet: «Ich habe mein Wissen über Kaffeeanbau also nicht aus einem Buch», sagt er dazu. Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt er weiter, an Baristas und Kunden und an alle, die an einem von ihm kreierten Kurs in der Coffee Academy teilnehmen. Man kann mit drei, vier Kolleginnen und Kollegen einen Kurs buchen, der auf die individuellen Bedürfnisse angepasst wird. Für Gastronomen gibt es Tageskurse, in denen man beispielsweise lernt, wie man in zwölf Schritten zum perfekten Espresso kommt, wie man Milch schäumt und Latte-Art-Muster sauber hinbekommt. In den Zweitageskursen hat man etwas Zeit, um sich mit Kaffeesorten, Anbau und Ernte zu befassen. «Es macht Spass, mit den Baristas an diesen Maschinen zu arbeiten», sagt Eiermann. Mit der Ruhe im Raum wird es dann allerdings vorbei sein.

Text: Renate Dubach, Bilder: zVg, UCC
Infos: ucc-coffee.ch

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