Wilde Zeiten in der Küche

18. Oktober 2023

Für marmite professional durften wir mit Beat Caduff auf die Jagd. Wortwörtlich. Dabei verrät uns der Wild-Profi, warum er beim Pfeffer auf Knochen schwört, was das Geheimnis seiner Consommé ist und wie er Federwild saftig hält.

Gams, Fasan, Krickente, Moorhuhn, Schneehase, Hirsch und Reh – kaum ein Koch in der Schweiz ist im Umgang mit Wild so virtuos wie Beat Caduff. Mehr als zwanzig Jahre führte er im Zürcher Kreis 4 die Wine Loft, nun ist er Pächter des Restaurants Alpenblick in seinem Heimatort Arosa. Jedes Jahr freut er sich aufs neue auf die Wildwochen. Denn der Spitzenkoch kennt Wild nicht nur aus der Küche, er ist selbst passionierter Jäger. Seine Jagdhütte baute er mit Jugendfreunden oberhalb von Arosa. Hier jagt er auch noch, als er marmite vor einem Jahr mit auf die Pirsch nimmt.

Spektakuläre Vögel im Keller

Wer während der Wildwochen einen Tisch in der Wine Loft ergattern konnte, durfte jubeln. Auf der Speisekarte: Wildconsommé mit Wurzelgemüse und Ochsenschwanzraviolo, getrüffelte Rehterrine, Roastbeef vom Hirsch, Gamsrücken an Wildrahmsauce mit Eierschwämmli und Steinpilzen, dazu Butterspätzli, Rotkraut und Marroni. Im Kühlraum hingen spektakuläre Vögel – Caduff bestellte sie selbstverständlich im Federkleid, um sie zu lagern, bis ihr Fleisch zart war. Jagdtrophäen zierten die Wände des Lokals. Doch wie erarbeitete sich Caduff den Ruf als Wildkoch? Schon seine Grossmutter sei eine grossartige Wildköchin gewesen, erzählt er. Wie begnadet ihr Enkel die saisonalen Delikatessen zubereitet, sprach sich in Arosa schnell herum. Man traf sich im Club zum Wohlsein im elterlichen Hotel Anita und fragte, ob er denn nicht noch einen Gamsrücken habe. Caduff kochte und unterhielt die Gäste mit Geschichten von der Jagd. «So gelang es mir auch, Gäste zum Genuss eines ihnen bis anhin unbekannten Wildtiers zu ermutigen.» Etwa eines Roten oder Grauen Rebhuhns, einer Schnepfe oder eines Alpenschneehuhns.

Bald schon reichte das selbst geschossene Wild nicht mehr aus. Seit Anfang der Achtziger Jahre arbeitet Caduff mit Comestibles-Händler Alfred von Escher zusammen. «Die ganz besonderen Tiere hat nur er: die besten schottischen Moorhühner oder in Papier eingeschlagene Rehrücken.» Das Vakuum, in welchem Rehrücken normalerweise konserviert werden, führt laut Caduff innert 24 Stunden zu einer Veränderung der Milchsäurebakterien und damit zu einer Geschmacksveränderung. «Dry Aged im Papier oder Vakuum – das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Mit Knochenarbeit zum perfekten Pfeffer

Beste Fleischstücke sind für ihn die unabdingbare Basis eines guten Pfeffers. «Dann gehören Knochen und viel Gemüse rein.» Caduff würzt mit einem Arvenzweig, auch frische Wacholder-stauden eignen sich. «Quitten und Äpfel dürfen bei mir nicht fehlen. Aber da hat jeder sein eigenes, perfektes Rezept.» Wichtig sei auch die Qualität des Weins für die Beize. «Ich arbeite aufgrund der hohen Säure mit Pinot Noir und Riesling – und mit etwas Portwein. Niemals aber mit tanninreichem Wein.» In dieser Beize ruht das Fleisch mindestens zehn bis vierzehn Tage, lieber sogar drei Wochen. Dann brät er die Knochen an und kocht sie mit. «Sie verleihen dem Gericht viel Geschmack.» Gemüse und Fleisch brät Caduff separat an. Dann widmet er sich der Sauce, die er mit den Knochen zubereitet. Nun erst gibt er das angebratene Fleisch hinzu. «Auch der richtige Essig ist wichtig: Himbeeressig, Quittenessig, Apfelbalsamico. Nie würde ich einfach einen beliebigen Essig verwenden.»

Der passende Wein dazu

Und was trinkt Burgunder-Liebhaber Caduff zum Pfeffer? «Ich liebe zwar Pinot Noir. Aber je kräftiger das Fleisch ist, umso eher geht der Pinot unter. Dazu geniesse ich lieber einen guten Syrah oder Cornalin.» Apropos Pairing: Bei den Beilagen zu Wildgerichten entscheidet er sich für klassische Varianten wie Apfel, Birne oder Preisel-beeren. «Früher hiess es: Kombiniere mit einem Tier nur die Produkte, die in seiner Umgebung wachsen. Mandarine zur Gans? Nein, keine Gams hat je eine Mandarine gesehen. Pfirsich zum Hirsch? Nun gut, in Spanien gibt’s Pfirsiche, wo der Hirsch sich bewegt. Das könnte gehen. Auch Quitten oder Hagebutten sind heute gern gewählte Begleiter.»

Seien Sie mutig, oder: So bleibt Federwild schön saftig.

Wer mehr als einfach Reh oder Hirsch servieren wolle, müsse sich unbedingt gut einlesen oder einen Experten konsultieren, betont Caduff. Besonders anspruchsvoll sei die Zubereitung von Federwild. «Das liegt daran, dass die meisten dieser Vögel kaum Fett besitzen. Ich empfehle, Wildgeflügel im Federkleid zu kaufen. So erkennt man die Qualität am besten. Bei gerupften Tieren muss unbedingt noch die Haut dran sein. Die Brüstchen brate ich nur kurz an und lasse sie danach ein wenig ruhen. Sie müssen innen noch saignant sein. Ganze Vögel wickle ich in Lardo ein, um das Austrocknen zu verhindern.» Die Karkassen dienen dem Koch als Basis für die Sauce, in die sonst nur noch Wein und Gewürze kommen. So stellt er sicher, dass das Aroma des Federwilds voll zur Geltung kommt.

Das Geheimnis der perfekten Wildconsommé

Für seine berühmte Wildconsommé verwendet Beat Caduff Wildknochen, etwas Ochsenschwanz sowie angetrocknete Rippen von Hirsch, Reh oder Gams; dazu viel Gemüse und Aromaten wie Lorbeer, Nelken, Rosmarin, Thymian, Pfeffer und Salbei. Zuerst röstet er nur die Knochen und das Gemüse an, dann lässt er das Ganze mit zwei Dritteln Wein und einem Drittel Wasser 18 bis 24 Stunden lang köcheln. Schliesslich passiert er den Fond und stellt ihn kühl. Anschliessend dreht er Fleisch von Reh, Hirsch oder Gams durch den Wolf und vermengt es mit Eiweiss. Hinzu kommt ebenfalls durch den Wolf gedrehtes Gemüse – Rüebli, Sellerie, Lauch und Tomaten. Diese Mischungen lässt er mindestens zwei Stunden stehen, ehe er sie mit dem entfetteten Fond mischt. Das Ganze kocht er nun noch einmal auf und rührt anfangs ganz vorsichtig, damit nichts anbrennt. «Wer zu stark rührt, erhält keine klare Consommé», betont Caduff.

Der Tag auf der Jagd neigt sich dem Ende entgegen. Nun beginnt Caduffs Lieblingszeit. «Das Jagen bedeutet zwar Entspannung. Doch das Wichtigste an der Jagd ist für mich das Zusammensein mit Freunden. Gemeinsam kochen und sich bei gutem Wein Geschichten von früher erzählen.» Klingt gut. Wir könnten jedenfalls noch stundenlang sitzenbleiben und zuhören.


Dieser Beitrag stammt aus der marmite professional Ausgabe «So geht Wild». Das Heft können Sie nach wie vor in unserem Magazine-Shop bestellen. Und wer keine Ausgabe mehr verpassen möchte, dem empfehlen wir das Abo zum Vorteilspreis.

Könnte dir auch gefallen

«Man soll zu Antonio und Marco kommen»

Nov. 2024

Zwei Männer, eine Mission: Antonio Colaianni und Marco Però bringen mit der Trattoria Freilager authentische Italianità nach Zürich....

Zwei Männer, eine Mission: Antonio Colaianni und Marco Però bringen mit der Trattoria Freilager authentische Italianità nach Zürich. Beide haben ihre Wurzeln in Apulien, beide wissen, wie man Gäste verwöhnt. Was steckt hinter ihrem Erfolgsrezept – und warum soll man hier nie auf die Schnelle essen?

«Wir setzen auf attraktive Eigenprodukte, internationale Gerichte und kreative Rezepturen»

Okt. 2024

Noch vor gut zehn Jahren war die vegane Küche in der Schweiz eine Randerscheinung und maximal in spezialisierten...

Noch vor gut zehn Jahren war die vegane Küche in der Schweiz eine Randerscheinung und maximal in spezialisierten Restaurants anzutreffen. Heute ist die rein pflanzliche Ernährung in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Wir fragen: Wo stehen die Grossen der Branche in dieser Entwicklung? Was treibt sie an, und welche Strategien haben sie, diesem neuen Bedürfnis von Gästen und der Gesellschaft nachzukommen? In diesem Interview befragten wir Vinzenz Meier, Leiter Hotellerie bei der Insel-Gruppe.

«Gutes Brot ist ein Statement»

Okt. 2024

Mit der Bedeutung des Brots im Restaurant wachsen auch die Ansprüche an dieses. Wir haben bei drei wichtigen...

Mit der Bedeutung des Brots im Restaurant wachsen auch die Ansprüche an dieses. Wir haben bei drei wichtigen Playern der Branche nachgefragt, wie ihr Angebot aussieht und wo sie sich besonders engagieren.