Auf der Spur des biologischen Weines und der schonenden Verarbeitung
Was ist das Charakteristische an Bio-Produkten?
Wenn man zwei Ausnahmewinzer fragt, was an ihren Produkten speziell ist, heben sie die Lebendigkeit sowie die Echtheit und den Bezug zur Herkunft hervor. Wir wollten mehr wissen und haben bei Marco Casanova - seit 20 Jahren Bio-Winzer und Mike Rudolph, gerade in biodynamischer Umstellung nachgefragt. Doch es muss nicht immer Wein sein; mit dem typischen Schweizer Produkt Mostobst lassen sich sehr kreative Getränke – oder Gerichte machen – oder manchmal können Bio-Produkte sogar auch anders genutzt werden – so im Altersheim Murhof. Wichtig bleibt immer das Prinzip der Knospe: ein schonender Umgang mit den Rohstoffen.
Zwei Ausnahmewinzer – eine gemeinsame Leidenschaft für Weine, die bewegen
Marco Casanova ist als Quereinsteiger seit über 20 Jahren Bio-Winzer. Nach einem langen Aufenthalt in Südfrankreich hat er sich im Bündnerland und seit 2013 am Walensee niedergelassen. 2017 wurde er Bio-Winzer des Jahres.
Mike Rudolph ist auch Quereinsteiger und Winzer im Tessin. Nachdem er 15 Jahren lang seinen Betrieb konventionell bewirtschaftet hatte, startete er vor fünf Jahren die Umstellung auf Bio; derzeit ist er daran, sich biodynamisch zertifizieren zu lassen.
Was sind die grössten Herausforderungen im biologischen Weinbau?
R: Wir möchten beim biodynamischen Vorgehen mehr auf das Verhalten der Pflanzen einzugehen. Eine grosse Herausforderung ist deren schnelles Wachstum. Da sind durchaus 40 Zentimeter in drei Tagen möglich. Durch die hohe Feuchtigkeit im Tessin entsteht zudem ein Mikroklima, was nicht immer nur positiv und einfach ist. Man muss individuell darauf eingehen können.
C: Auch am Walensee ist es häufig regnerisch und feucht. Da ist der Pflanzenschutz eine grosse Herausforderung. Gewisse pilzwiderstandsfähige Sorten (Piwi) sind im letzten Jahr eingebrochen. Beispielsweise habe ich dem Cabernet Jura nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, da hatte ich 80 Prozent Ertragsausfall.
Macht ihr euch mit dem Bio-Weinbau das Leben nicht unnötig schwer?
R: Die traditionellen Mittel sind nicht mehr so gut wie früher. Es muss in der Landwirtschaft etwas gehen, es kann nicht sein, dass man jedes Mal ein halbes Chemie-Unglück produziert, wenn man spritzt. Die eigene Gesundheit spielt auch eine Rolle.
C: Ja, das spricht mir aus dem Herzen. Ich hatte ein prägendes Erlebnis in der Lehre. Mein Lehrmeister hat mich zum Spritzen geschickt, und ich wusste nicht, um welches Mittel es sich handelte, trug keinen Schutzanzug. Das hat einen grösseren Ausschlag am ganzen Oberkörper verursacht. Das Mittel von damals wurde zwar mittlerweile aus dem Verkehr gezogen, für mich war nach diesem Erlebnis jedoch klar, dass ich meine eigenen Reben biologisch anbauen und pflegen würde.
Warum ist eine Zertifizierung nach biologischer oder biodynamischer Qualität wichtig?
C: Ich finde, die konventionellen Winzer müssten deklarieren, wie sie arbeiten. Jetzt ist es umgekehrt, die Bio-Weinbauer müssen beweisen, dass sie allen Anforderungen nachkommen und haben so einen Mehraufwand. Der Ansporn müsste sein, dass jene, die nach Bio-Richtlinien arbeiten, weniger Aufwand haben. Wie will man so Bio-Produktion fördern? Sicher nicht, indem diese Produzentinnen und Produzenten mehr zahlen müssen und die konventionellen Anbauer nicht mal kontrolliert werden. Meiner Meinung nach bezahle ich heutzutage für Dinge, die eigentlich normal sein müssten.
Welchen Vorteil haben Konsumentinnen und Konsumenten, wenn sie euren biologisch angebauten Wein trinken?
R: Grundsätzlich muss der Wein schmecken. Erst in einem zweiten Schritt wollen die Konsumentinnen und Konsumenten beispielsweise mehr über den Pflanzenschutz wissen, aber das ist noch kein Verkaufsargument.
C: Ja genau, in erster Instanz muss der Wein schmecken. Gut ist, wenn man das Thema der Nachhaltigkeit ansprechen kann, aber ich glaube, es ist beim Weinbau noch anders als beispielsweise bei Gemüse. Wie der Wein produziert wurde, ist noch zweitrangig.
Und wie sieht es in der Gastronomie aus?
C: Manche Gastronominnen und Gastronomen haben schon von mir gelesen und wollen jetzt ihre Karte umstellen. Generell gewinnen einheimische Weine an Bedeutung. Das Schlechteste für die Schweiz ist, wenn die Betriebe Weine aus Übersee, zum Beispiel aus Australien, auf der Karte haben. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, ob die biologisch oder konventionell produziert wurden.
R: Ich habe nicht so viele Gastronomie-Kunden. Wir sind auch erst am Anfang. Bei mir spielt sich viel auf der Ebene von Treu und Glauben ab.
Es scheint auch, dass in der Gastronomie vor allem der Aspekt der Regionalität von besonderer Wichtigkeit ist. Kaufen lokale Gastro-Betriebe bei euch ein?
R: Ich glaube, im Tessin ist es anders als beispielsweise im Wallis. Hier spielt der Aspekt der Regionalität noch keine so grosse Rolle, in der Regel stehen nur zwei, drei Tessiner Weine auf der Karte.
C: Ich merke, dass die Gastronomen rund um den Walensee vermehrt nach regionalen Produkten fragen. Einige von ihnen kommen mittlerweile auch aktiv auf mich zu. Das hat aber sicher auch mit meiner Auszeichnung als Bio-Winzer des Jahres 2017 zu tun.
Wie merken durchschnittliche Konsumentinnen und Konsumenten, die sich nicht tiefer mit Wein oder Labels auseinandersetzen, dass sie mit euren Weinen besondere Produkte vor sich haben?
C: Es geht um den Charakter. In unseren Weinen stecken weniger Schwefel, Enzyme und künstliche Inhaltsstoffe als in konventionellen. Das macht den Wein etwas einfacher, zugänglicher und aber eben auch charakteristischer.
R: Unser Credo heisst: Der Wein entsteht im Rebberg. Durch den biodynamischen Anbau kommt die Pflanze oder die Traube in einem besseren Gleichgewicht in den Keller. Der Winzer prägt den Wein, schneidet auch weniger, ist aber häufiger und bewusster im Rebberg. Das Gesamtgefühl muss stimmen, das gibt dann die filigraneren und charakteristischeren Weine.
Zu welchen Gerichten passen eure Weine besonders gut – und wie kalt oder warm sollte man sie trinken?
C: Grundsätzlich ist es ja eher so, dass Weissweine zu kalt und Rotweine zu warm getrunken werden. Für die Weissen empfehle ich eine Trinktemperatur zwischen 12 und 14 Grad, für die Roten 18 bis 20 Grad.
R: Gerade weil mehr vegetarische Gerichte in der Gastronomie angeboten werden, zeigt sich jetzt, dass da noch viel Potential vorhanden ist. Die fruchtigen Weine passen auch gut zu einem Curry oder thailändischem Essen. Man darf die Weine nicht zu sehr in ein Schema pressen. Das Essverhalten hat sich verändert, und das gibt viele schöne Erfahrungen. Man muss sich auf etwas einlassen. Beispielsweise haben wir letzthin unsere Weine zu einem kambodschanischen Essen genossen. Das hat sehr gut gepasst, die Kunden müssen auch einfach etwas offen sein. Vieles ist im Wandel.
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